Übersetzt von Ronald Voullié.
IMD 251
2003
235 Seiten.
ISBN: 978-3-88396-184-2
Buch: 18,00 €
Wer gute Taten begeht, sich tugendhaft verhält und immer die Moralvorschriften beachtet, wird nach westlicher Auffassung spätestens im Jenseits belohnt. Das chinesische Denken kommt dagegen ohne Jenseitsvorstellungen und außerirdische Paradiese aus. Daher stellt sich die Frage, wie auf beiden Seiten die Moral begründet wird? Wie sich im Dialog zwischen Menzius, einem Denker aus dem 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, auf der einen Seite und Kant und Rousseau auf der anderen Seite zeigt, ist der Ausgangspunkt hier wie dort die spontane Erfahrung des Mitleids. Des Mitleids, das einen überkommt, wenn man andere leiden sieht. Kant und Rousseau verbinden moralisches Verhalten mit dem Willen und mit der Freiheit des Willens. Und das führt sie letzten Endes zur Zweiteilung der Welt in eine Welt sinnlicher Erfahrung und eine übersinnliche transzendente Welt. Im Gegensatz zur westlichen Vorstellung, der zufolge das chinesische Denken in mystisch-esoterischen Regionen oder gar religiöser Verklärtheit schwebt, erweist Menzius sich als durch und durch irdischer Denker, der fest in den energetisch-dynamischen Prozessen des Hier und Jetzt verankert ist. Aber, und diese Frage hebt Jullien sich bis zum Schluss auf, muss die chinesische Vorstellung von Freiheit dann nicht geradezu zwangsläufig mit der des Westens kollidieren?