Übersetzt von Daniel Creutz.
IMD 492
2021
128 Seiten.
ISBN: 978-3-96273-048-2
Buch: 15,00 €
Von der systematischen Reflexion marginalisiert und in den medialen Erzählungen als ein chaotisches, düsteres und undurchsichtiges Ereignis präsentiert, stellt die Revolte ein glühendes Thema innerhalb der gegenwärtigen globalen Szenerie dar. Mit diesem Essay berührt Donatella Di Cesare zum ersten Mal ihre vielfältigen politischen wie philosophischen Aspekte und liefert damit ein punktgenaues Abbild der Aktualität.
Wie auch die Migrationen lässt die Revolte erahnen, was im „Außen“ geschieht, jenseits der staatszentrierten Ordnung, an den Rändern der politischen Architektur, um die streng überwachten Grenzen des öffentlichen Raumes herum. In ihrem Lob der Revolte sowie ihrer vielgestaltigen Kehrtwendungen gegen die Macht befragt Di Cesare auch die angrenzenden Phänomene: die verlorene Revolution in ihrer ganzen Mehrdeutigkeit sowie den Widerstand in all seinen Formen. Während die Bewegungen, die neuerdings wieder die Plätze besetzen und so den Niedergang der politischen Repräsentation anzeigen, ein Recht des Erscheinens geltend machen und ihren Eintritt in den öffentlichen Raum einfordern, geht die Revolte ein gutes Stück darüber hinaus: Anstatt den inneren Konflikt zu akzeptieren, stellt sie die Rahmungen dieses Raumes selbst in Frage. Ihre Protagonisten sind zahlreich: Von den neuen Ungehorsamen bis hin zu denen, die Anonymität im Netz praktizieren, von denjenigen, die nachdrücklich auf Rechtsverstöße aufmerksam machen, bis hin zu den ubiquitären „Unsichtbaren“.
Die Zeit der Revolte schlägt eine politische Interpretation der Maske vor und spricht dezidiert von den Zonen der Verantwortungslosigkeit: Sich zu verbergen, um sich zu zeigen, bedeutet eine Herausforderung des Staates, der jede Maske verurteilt, die nicht die seine ist, der gesichtslosen Finanzmacht sowie einer entkörperten Ökonomie, die ihren eigenen Auswirkungen völlig gleichgültig gegenübersteht. Auf diese Weise können gewaltige Asymmetrien aufgedeckt, das beständige Ungleichgewicht der Kräfte freigelegt und die allseitige planetarische Überwachung namhaft gemacht werden. Die Revolte ist kein flüchtiges Ereignis, sondern ein zeitlich-anarchischer Übergang, der sich in der Loslösung und Befreiung von der politischen Architektur vollzieht.
„Die anarchische Revolte verletzt die staatlichen Grenzen, entnationalisiert die vermeintlichen Staatsbürger, entfremdet sie der dominierenden politischen Architektur, macht sie vorübergehend zu Staatenlosen und ruft dazu auf, sich zu ansässigen Fremden zu erklären.“
Donatella Di Cesare (*1956), Philosophin, lehrt und forscht als Professorin für theoretische Philosophie an der Universität La Sapienza in Rom.