»Metaphysik zur Zeit« unternimmt den Versuch, die Bedeutung der großen metaphysischen Kategorien für die Gegenwart wieder fruchtbar zu machen: Indem es aufzeigt, wie die gegenwärtige Misere uns geradewegs dazu zwingt, sich dieser Kategorien wieder anzunehmen und ihnen zugleich eine radikal neue Wendung zu geben. Angeregt von der Umwertung des Absoluten in der zeitgenössischen spekulativen Philosophie, nimmt sich Armen Avanessian aufs Neue Kategorien wie Substanz und Akzidens, Form und Materie, Leben und Tod vor, um sie in jäher Weise umzukrempeln.
Was, wenn die Idee von den Akzidenzien oder vielmehr Unfällen etwa die vielen neuen Arten an Funktionsstörungen, Pannen, Abstürzen und dergleichen (vom Finanzsystem bis zur Ökologie, von technologischen Katastrophen bis hin zu gesellschaftlichen Umbrüchen) berücksichtigen müsste, welche unsere Kultur durchdringen und unseren Nachrichtenalltag bestimmen? Sollten wir nicht mittlerweile besser davon ausgehen, dass Risiko und Zufall Teil der Substanz unserer Welt geworden sind, und damit die Unterscheidung zwischen Substanz und Akzidens/Unfall radikal neu zu denken ist?
Das Buch unterzieht zentrale metaphysische Begriffe und Unterscheidungskriterien einem unnachsichtigen Stresstest, aus dem eine neue Form der Metaphysik hervorgeht, in der die dringlichsten Realien des 21. Jahrhunderts stets an die grundlegendsten Kategorien des Denkens zurückgekoppelt werden. »Metaphysik zur Zeit« ist so spekulativ wie pragmatisch, so begriffsstark wie konkret, eine Tour-de-Force, die dem abgebrühtesten Philosophen als auch dem abgefeimtesten Kulturtheoretiker den Kopf verdrehen wird.
Anstatt Argumente und Theorien auf akademisch biedermeierliche Weise einzusortieren, changiert der Text zwischen Einblicken und Eindrücken, Fragmenten und Thesen, die instantan vermitteln, wie zeitgenössische Prosa gelesen sein will. Oder, genauer gesagt: wie sich post-zeitgenössische Prosa anfühlt – denn eines der Hauptbegehren von »Metaphysik zur Zeit« ist es, uns aus der Sackgasse Gegenwart herauszuführen und zu spiegeln, wie die Zukunft durch die Erneuerung unserer Kategorien, Begriffe und Ideen bereits an und in uns arbeitet.
Armen Avanessian (*1973), Literaturwissenschaftler und Philosoph.
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